Leseverständnis? Hörverstehen!

Momentan bin ich gedanklich ein bisschen tiefer drin in der Frage, was genau ich von meinen Zweitklässlern eigentlich erwarte und verlange bzw. erwarten und verlangen kann*. Einerseits haben wir ja nun alle mehrer Faktoren, die wir dafür nutzen:
> die Lehrpläne, Richtlinien, Curricula und sie sie alle heißen als Grundlage sowie
> unsere beruflichen Erfahrungen und daraus gewonnene Vergleichswerte und
> unsere privaten Erfahrungen (eigene / bekannte Kinder).

Und dann gibt es ja da noch die IST-Situation. Die fast drei Jahre Altersunterschied innerhalb einer Jahrgangsklasse, die unterschiedlichen Hintergründe der Kinder, was ihre Entwicklung und „Förderung“ im Elternhaus betrifft und mögliche Einschränkungen durch einen erhöhten oder sogar sonderpädagogischen Förderbedarf bzw. mangelnde oder nicht vorhandene Sprachkenntnisse.

Das alles führt mich immer wieder zu dem Gedanken, dass ich natürlich differenzierte Lernangebote machen muss, um jedem einigermaßen gerecht werden zu können. Während meine starken Kinder diese auch sehr selbstständig annehmen und nutzen können, brauchen die schwächeren Lerner mehr von meiner Zeit. Vor allem brauchen sie Zeit, in denen ich ihnen beim Lesen helfe und ihr Leseverständnis aufbaue, ohne dass sie im selbstständigen Arbeiten ziemlich verloren sind. Aber irgendwie habe ich trotzdem nie genug davon, um gerade ihnen zur Seite zu stehen, was mich sehr frustriert…

Heute auf dem Weg zwischen Klassenraum und Lehrerzimmer stellte ich mal wieder fest, dass ich im Gespräch mit einigen Kindern inzwischen wirklich bei Ein-Wort-Sätzen angelangt bin. Aus „Denkst du bitte morgen an den Elternsprechtagszettel, Hansi?“ ist „Hansi? Elternsprechtagszettel!“ geworden. Ich als Freundin der Literatur und Linguistik finde das furchtbar! Aber ich weiß auch, warum ich es so handhabe: Die „überflüssigen“ Wörter kommen bei vielen meiner Klienten einfach gar nicht an. Je weniger Worte ich da nutze, umso höher ist die Chance, dass der Kern meiner Botschaft ankommt. Ein weiteres Beispiel:
Hör bitte auf zu kippeln!“ und „Leg bitte den Stift in die Federmappe!“ und „Jetzt wird nicht gegessen!“ und viele ähnlich angelegte Sätze, die wir alle dutzendfach am Vormittag sagen, heißen bei mir oft nur noch „Nein!„. Traurigerweise haben sie die exakt gleiche Wirkung wie die ausführlichen Ermahnungen – das heißt: sie wirken genauso schnell und genauso kurz.

Bevor ich jetzt in eine Gesellschaftsschelte abrutsche, möchte ich noch ein fachliches Fazit ziehen: ich werde in meiner Klasse weit mehr auf Hörverstehensübungen zurückgreifen (müssen), wie ich sie als Fachlehrerin Englisch ja oft nutze. Die Monster werden öfter mal Hörlogicals und Ähnliches mit mir bearbeiten dürfen, damit dieses genaue Zuhören mal wieder etwas wichtiger wird. [z.B. wie hier oder hier oder hier beschrieben] Da wir gerade die Adjektive kennen gelernt haben, werde ich wohl mal eine Übung machen, bei der Bild- bzw. Wortkarten in ein Raster gelegt werden müssen, die zu bestimmten Adjektiven passen. (Also z.B. In Feld Nr. 1 liegt etwas, das weich und gestreift und kuschelig ist.)
Ob’s was bringt, weiß ich noch nicht, aber für mein Gewissen muss das demnächst nochmal ein Schwerpunkt sein. Bevor es in der 3 dann so richtig rund geht…

Beste Grüße,
Katha

* Dazu beigetragen hat u.a. die Ausarbeitung unserer Lehrwerksvorstellung, die diese Woche gelaufen ist und in deren Rahmen ich mir viele Gedanken über Leistungsansprüche gemacht habe. Außerdem tragen die Vergleiche zwischen Möppel (1.Klasse) und meinen Monstern (2.Klasse) dazu auch sehr bei, denn bei Möppel in der Schule sind das Klientel und somit die Ansprüche deutlich anders als bei uns.

9 Gedanken zu „Leseverständnis? Hörverstehen!

  1. Liebe Katha,
    dein Beitrag spricht mir aus dem Herzen, denn mir geht es beruflich wie privat genauso.
    Nach einem Schulwechsel vom Land in die Stadt bin ich mit der harten Realität zusammengeprallt, die ich mir in solch krasser Weise nicht vorstellen konnte / wollte – mit all ihren Facetten, auch wenn ich mich im vorhinein damit schon gedanklich auseinandergesetzt hatte.
    Was aus meiner Sicht zudem wirklich traurig ist, dass wir teilweise Kindern gegenüberstehen, die meist gerne wollen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen von zu Hause kaum bis keine Unterstützung bekommen.
    Über deine geteilten Gedanken und Versuche, etwas zu bewirken, lese ich gerne (mehr) und nehme es als Motivation mit in meine Arbeit.
    Mit herzlichen Grüßen
    Nette

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  2. Hallo Katha,

    ich habe dieses Jahr auch gemerkt, dass viele meiner 1. Klässler einfach nicht richtig zuhören können und mir dann auch überlegt, wie man das trainieren könnte.
    Natürlich lese ich viel vor (mal sind sie dabei ruhig und mal geht es fast gar nicht…) und wir machen auch gerne die Lesespiele aus dem Zaubereinmaleins.
    Seit einer Weile arbeite ich jetzt auch mit diesem Material https://www.persen.de/23635-auditive-wahrnehmung.html und finde es wirklich gut. Manches ist zu einfach, da ich erst ca. im Januar damit angefangen habe (wäre aber am Anfang des Schuljahres sicher passend gewesen). Die Übungen sind sehr abwechslungsreich und der Aufwand hält sich in Grenzen, was ja im stressigen Schulalltag immer eine Hilfe ist. Und ja, es ist eigentlich für Sonderpädagogik, aber ich behaupte mal ein bisschen Förderung schadet auch den regulären Kindern nicht 😉 Für Ende zweite Klasse ist es wohl allerdings etwas zu einfach befürchte ich…

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    1. Liebe Anne,
      danke für deine Bestätigung und den guten Tipp. Ich werde das für später kommende Einser mal vormerken – jetzt Ende der 2 ist es doch eher schon etwas zu spät.
      LG, Katha

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  3. Meine Minis sind auch in der 2. Klasse. Im Zaubereinmaleins gibt es Materialien, bei denen die Kinder erst zuhören müssen und dann ein Bild mit allem vervollständigen sollen, an was sie sich erinnern. Das mache ich ganz gerne, um das Hörverständnis zu schulen. Vielleicht auch eine Idee für deine Kids? Liebe Grüße

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  4. Liebe Katha,
    du hast absolut recht, man reduziert seine Sprache sehr oft, um schneller verstanden zu werden … je mehr Wörter man sagt umso weniger gibt es oft das erwünschte Ergebnis.
    Wir haben uns im Lehrerkollegium auch zum Thema Hörverständnis Gedanken gemacht.
    Es gibt bei den diversen Testungen ja immer wieder Hörübungen, bei denen ein Text; schwer verständlich gemacht durch Hintergrundgeräusche (meine beiden großen Töchter im Gymnasium stöhnen auch darüber bei den diversen Englisch und Französisch-Schularbeiten) zu verstehen ist und dann auch noch Fragen zu beantworten sind.
    SO etwas sollte man üben, das ist noch eine Stufe schwieriger, als wenn die Lehrperson, die sich mit Lesetempo und Betonung doch (unbewusst) auf die Schüler einstellt, den Text vorträgt.
    Solche Hörübungen (mit passenden AB oder Fragen dazu) gibt es nur leider echt selten …. vielleicht weißt du oder jemand anderer einen Link oder eine sinnvolle CD?
    Ganz liebe Grüße aus Wien
    Barbara

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    1. Wir haben auch so unsere Problemchen mit dem Zuhören und dem richtigen Schulen dieser Fertigkeit…hilfreich waren die Kopiervorlagen von Schubi dazu (gibt es ab der Vorschule) – tolle AB´s mit passender CD dazu, preislich O.K.; auch der Finken Verlag hat dazu etwas (ist aber leider sehr teuer…).
      Dann gibt es noch diesen link http://www.hoertexte-deutsch.at/, ist eher ab Klasse 4 geeignet.
      lg
      christine

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    2. Danke, Barbara, für deinen ausführlichen Beitrag. Manchmal tut es ja auch einfach gut zu hören, dass man nicht alleine mit einem Problem dasteht…
      LG, Katha

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