Literaturunterricht mit dem Lesebuch !?

„Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht“ (bei mir mit hpL abgekürzt) ist sicher ein Konstrukt, das vielen Mitlesenden bereits in Studium und Seminar über den Weg gelaufen ist. Als Fachleiterin ist dies eines meiner absoluten Lieblingsthemen – und steht gerade wieder an.

Der Begriff des hpL geht vor allem zurück auf Kaspar H. Spinner, der sich bereits in den 1970ern der Feststellung näherte, dass Kinder einen intensiveren Zugang zu Literatur erreichen, wenn sie sich handelnd und produktiv mit dieser auseinander setzen und nicht nur rezipieren.
Wer sich noch einmal in die Theorie des hpL eindenken möchte, dem/der empfehle ich dieses Video einer Studierenden auf YouTube.
In das Zeitalter des digitalen Arbeitens haben u.a. Thomas Irion, Verena Knoblauch und Nina Authenried dieses Konstrukt geführt, wie man in dieser kostenlosen Veröffentlichung des Grundschulverbands ab S. 229 nachlesen kann.

Der Grundgedanke des hpL ist es, dass die Kinder einen literarischen Text nicht einfach nur lesen und vielleicht noch Verständnisfragen dazu beantworten. Hiermit kann die Kompetenz des sinnentnehmenden Lesens überprüft und bestenfalls geschult werden; der Einsatz von Lesestrategien schließt an dieser Stelle an.
Der Name hpL verrät bereits, dass der Unterricht nun aber mit dem Lesen eines Textes nicht endet, sondern erst beginnt. Vielfältige Aktivitäten lassen sich anschließen, die alle eines gemeinsam haben: sie ergeben am Ende ein Produkt – einen Text, ein Bild, eine Präsentation.
Indem die Kinder Texte verfassen, die irgendwie von dem gelesenen Text ausgehen, an ihn anknüpfen oder auch mit den Figuren des Ursprungstextes verknüpft sind, erleben die SuS Literatur als etwas Lebendiges, etwas, das sich für jeden Rezipienten anders anfühlen kann. Eine Individualisierung entsteht, wenn die Kinder dazu Aufgaben/Textformen wählen dürfen und in der inhaltlichen Gestaltung im Rahmen der grundlegenden Vorgaben zu Texten frei sind.
Wie der Junge auf diesem mit Midjourney generierten Bild, so erlebe ich Kinder, die sich aktiv mit einem literarischen Text auseinander setzen können: viele Ideen, viel Eigenständigkeit, mehr Freude an Literatur.

Mögliche Herangehensweisen des hpL sind diese:

Gern werden diese Zugänge nicht nur für einzelne Texte genutzt, sondern für die Arbeit mit Ganzschriften. Mit diesen „Lektüren“ haben Kinder in der Grundschule zum ersten Mal Kontakt. Es wäre doch schade, wenn dieser erste Kontakt mit der intensiven Arbeit an einem Buch nur aus dem Beantworten von Inhaltsfragen bestünde, was in vielen sog. Lesebegleitheften Alltag ist. Also kommen gern Leserollen, Lesetagebücher, Lesekisten und andere Formen zum Einsatz, die einen mehr oder minder individuellen Zugang der SuS zu ihrem Stückchen Literatur ermöglichen. Pflicht- und Wahlaufgaben sollen sicherstellen, dass das Buch inhaltlich gut erarbeitet wurde, und dennoch jedes Kind seine eigenen Schwerpunkte setzen kann.

Ein Nachteil, der meiner Erfahrung nach viele Lehrkräfte von solch einer Arbeitsweise abbringt, ist die Größe des Gesamtvorhabens. Aus diesem Grund arbeite ich mit meinen LAA eine Nummer kleiner – nämlich an ihren jeweiligen Lesebüchern. Viele Lesebücher bieten heute nicht nur didaktische Texte sondern auch Auszüge aus „echten Büchern“, also kinderliterarischen Werken. Auch die Qualität der abgedruckten Sachtexte oder Gedichte ist dem alten Gedanken der Fibel längst entwachsen und nicht selten findet sich eine solide Auswahl verschiedener Textformen rund um ein Oberthema. Es lohnt sich, die Zeit zu investieren und das eigene Lesebuch mal unter die Lupe zu nehmen, es weniger stiefmütterlich zu behandeln und aus der „muss ich ja mal nutzen“-Ecke herauszuholen!

So sieht es in meinem Beispielbuch* aus: Überall kleben Zettelchen und (was man nicht sehen kann) ich habe wirklich zu allen 15 Herangehensweisen von oben einen geeigneten Text gefunden. Ein wenig besser könnt ihr das in diesem Video (unten auch direkt anzusehen) nachvollziehen, das ich als Arbeitsauftrag für meine LAA nutze.

Was das für meinen Unterricht bedeutet? Ich kann viele kleine Angebote machen, im Sinne des hpL zu arbeiten und nicht nur „Text lesen – Lesetest schreiben“. Je nach Anlage meines Unterrichts können alle SuS die gleiche Aufgabe oder eine Auswahl von mir zur Verfügung gestellt bekommen. Ersteres bietet sich gerade dann an, wenn die SuS mit einer Herangehensweise noch nicht allzu vertraut sind. Zweiteres ist z.B. dann gut geeignet, wenn ich ein gemeinsames Oberthema (Jahreszeit, Natur, Technik…) in den Mittelpunkt stellen will und die Kinder sich dem Thema individuell nähern sollen. So können tolle Klassenprodukte entstehen wie gemeinsame Bücher, Ausstellungen oder Präsentation, Videos etc., die nichts mit der Sammlung der immer gleichen Texte zum für alle gleichen Schreibanlasszu tun haben.

Hach, jetzt ist es doch wieder länger geworden als geplant, aber ihr sollt endlich auch mal wieder etwas anderes zu lesen bekommen als Rezensionen! Ich würde mich über eure Kommentare freuen, wenn ihr Texttipps oder Buchempfehlungen für mich/uns habt oder wenn ihr noch eine tolle Herangehensweise kennt, die in meiner Auflistung fehlt.

Herzliche Bücherwurmgrüße
Katha

* Dies ist das Jojo-Lesebuch 4 von Cornelsen. ich nutze es, da es momentan das Lesebuch ist, das ich am besten kenne, weil ich dazu ja die Handreichungen und viele KV verfasst habe. Ich nutze es auch, weil ich die Textauswahl und -bandbreite wirklich gut finde. Ich bekomme kein Geld für diese Nennung.

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Wie entsteht eigentlich eine Karte?

Zu dieser Frage hatten meine Drittklässler teils keine, teils rudimentäre Vorstellungen (wenn ich die zwei Schlaumeier mal außen vor lasse, die immer alles schon wissen…).

Gut, dann probieren wir es mal aus!

Schritt 1: Eine von mir gezeichnete Karte bzw. Luftansicht-Skizze unseres Differenzierungsraums liegt auf dem OHP (krass moderner Medieneinsatz) und die SuS vermuten, was dort abgebildet sein könnte.
Karte Nebenraum kartografieren.jpgSchnell erkennen sie den Raum und können den Formen die reellen Gegenstände zuordnen.

Schritt 2: Gruppenarbeit mit folgenem Arbeitsauftrag:
Kartenaufgabe.PNGIn jede Gruppe habe ich stärkere und schwächere Kinder gepackt, um allen Gruppen einen Erfolg zu ermöglichen. Da man fast alle benötigten Symbole auf meiner Karte abschauen konnte, war dieses Aspekt des Kartografierens vorentlastet.
Obwohl es kaum Streitigkeiten während der GA gab (was selten genug vorkommt), waren die Ergebnisse dann am Ende doch extrem unterschiedlich. Ihr dürft jetzt mal meinen Klassenraum kennenlernen – in sechs Varianten… 😉
((die Bilder bleibe ich für heute schuldig – in der Schule liegen lassen…))

Schritt 3: Analyse
Im Tafelkino besprechen wir, was auf welchen Karten besonders gelungen ist, warum sich Manches leichter erkennen lässt als Anderes und dass der Klassenraum eher Hochformat als Querformat hat. Ein Schüler ist der Sohn eines Bauzeichners und haut mit seiner Karte alles raus – sie wurde von allen als bestes Ergebnis gewürdigt, was den Jungen zu Recht stolz machte.

Schritt 4: Gruppenarbeit – outdoor!
DSCN2253.JPG
Wir nehmen einen Zeichenblock mit auf den Schulhof und versuchen, diesen zu kartografieren. Das ist eine deutliche Steigerung der Anforderungen (neue Symbole werden benötigt!) – aber wieder arbeiten die Gruppen ziemlich konzentriert und bis auf wenige Ausnahmen zielführend zusammen. Wir haben z.B. in den Gruppen besprochen, dass nicht jeder in der Gruppe zeichnen kann, aber dass auch die Beobachtungen und Tipps dem Zeichner nützen. Oder dass man Bäume in der Seitenansicht zwar besser erkennt, aber dass das nicht zu einer „richtigen“ Karte passt, auf der alles von oben zu sehen ist. Man braucht also Zeichen/Symbole, um Sträucher, Spielgeräte etc. darzustellen. Mein Highlight war, als einer meiner Träumer oben auf dem Klettergerüst stand und er auf meine vorsichtige Frage nach seinem aktuellen Status antwortete, er schaue nach, wie alles von oben aussähe. Bingo!
Kurzes Betrachten der Ergebnisse war heute noch drin, aber etwas genauer kommt das noch in…

Schritt 5: Das wird dann in den nächsten Tagen noch die abschließende Reflexion der Produkte sein und das Beschreiben des Kartografier-Vorgangs anhand von Stichworten. Natürlich werden die Ideen der Kinder auch noch durch ein par standardisierte Zeichen für Karten ergänzt und ein ganz bisschen theoretische Kartenarbeit muss auch noch sein.
Dann hoffe ich aber, dass am Ende mit Hilfe der sog. Didaktik des leeren Blattes ein bisschen mehr bei den kleinen Monstern hängenbleibt als wenn wir nur AB abarbeiten…

Beste Grüße
Katha