Klassenregeln – ein leidiges Thema?

Im Rahmen meiner Arbeit als Ausbilderin vertiefe ich mich ja immer wieder neu in bestimmte didaktische Felder. Zuletzt waren u.a. Klassenregeln dabei, die wir sowohl im Kernseminar als auch (reduziert) im Praxissemester in Bildungwissenschaften thematisieren. Deshalb gibt es heute dazu eine kleine Sammlung an Gedanken, Erfahrungen, Theorie und Beispielen.

Symbolbild „Ohne und mit Regeln“, generiert mit ChatGPT

Disclaimer: Mir ist bewusst, dass es an euren Schulen ganz unterschiedliche Schulregeln oder sonstige Verbindlichkeiten gibt. Wenn eure Schule ein übergreifendes Regelwerk bereitstellt, habt ihr vielleicht wenig Spielraum einerseits, dafür andererseits aber mehr Verbindlichkeit gegenüber den Schüler:innen. Wie Regeln allgemein zustande kommen (egal ob für die Schule oder die Klasse) und wie sie sein sollten, das ist vielleicht dennoch interessant…

Gerade zu Beginn des Schuljahres geht es darum, die in der Klasse geltenden Regeln zu überprüfen und ggf. anzupassen bzw. im ersten Schuljahr überhaupt erstmal Regeln zu erarbeiten.
Und da geht es direkt los: Regeln, die ich als Lehrkraft meiner Klasse überstülpe, sind zwar inhaltlich oft korrekt und wichtig, aber leiden von Beginn an oft an mangelnder Toleranz. Soll heißen: Die Schüler:innen sollen an den Klassenregeln mitwirken. Das bedeutet nicht, dass die Kinder allein die Regeln entwickeln und ich als Lehrkraft keinen Einfluss habe. Natürlich kann und muss ich ggf. Regeln einbringen und kann sie auch ohne Mehrheit durchsetzen – es geht hier vor allem um den Prozess des Überprüfens einer Regel auf Wichtigkeit, Realitätsnähe und Konsequenzen. Gert Lohmann stellt in seinem Buch „Mit Schülern klarkommen“ drei mögliche Wege zum Erarbeiten von Regeln vor – einen offenen, einen halboffenen und einen lehrerzentrierten*.
Aus eigener Erfahrung bei der Entwicklung von Schulregeln kann ich eine Vorgehensweise beschreiben, die tendenziell dem offenen Weg entspricht und die ich genau so auch immer wieder für meine Klassenregeln genutzt habe: Vor Jahren ging es darum, dass es für alle geltende Schulregeln an meiner Schule geben sollte, die auch im Forum visualisiert und als Vertrag an die Kinder und Eltern ausgegeben werden sollten. Dazu haben wir dann in allen Klassen mit den Kindern gesprochen und die Vorschläge der Kinder gesammelt. Einige Lehrkräfte schrieben zentral mit, andere erhoben die Ideen der Kinder mit Zetteln. Aus allen sich doppelnden und ergönzenden Vorschlägen extrahierten wir damals etwa 20 Regeln, die nummeriert und jeweils auf einem A4-Zettel an einem Fenstergang entlang aufgehängt wurden. Nach einer Woche „Einwirkzeit“, in der jede Klassenleitung einmal mit ihren Kindern alle Regeln gelesen und ggf. geklärt hatte, bekamen alle Kinder drei Klebepunkte und sollten diese auf die für sie wichtigsten Regelzettel kleben. Um die Beeinflussung durch Freund:innen oder schon geklebte Punkte zuminimieren, sollte vorab jedes Kind seine drei Regeln (Nummern) auf einen kleinen Zettel schreiben. So ergab sich ein gutes Stimmungsbild, das noch zwei Tage hängen blieb, bevor wir dann unsere Schulregeln zusammenstellten. Es waren letztendlich genau zehn Regeln, die deutlich am häufigsten bepunktet worden waren. So ging das Ganze dann seitdem an alle Eltern und Kinder (in den Kreis, den Schülerinnen gezeichnet hatten, konnte jedes Kind sich selbst als Teil der Schul- und Regelgemeinschaft einzeichnen):

Die Kinder, die diese Regeln mit enwtickelt hatten, hatten ein gutes Gespür für deren Bedeutung. Man merkte aber auch, dass nach zwei, drei Jahren eigentlich der Prozess ernaut hätte laufen müssen, um dieses Gefühl wiederherzustellen, denn für alle neu hinzukommenden Jahrgänge waren die Schulregeln „auferlegt“…

Einige der Aspekte der folgenden Übersicht zum Entwickeln von (Klassen)Regeln findet ihr in meinem obigen Text schon: Regeln erarbeiten, Regeln visualisieren, Regeln hinterfragen. Dass Regeln positiv, verständlich und klar formuliert werden müssen, dürfte jedem ebenfalls klar sein.

Schwieriger wird es da schon mit der „Pflege“ und Anwendung der eingeführten Regeln. Wie oft erinnere ich mich und die Kinder an Regeln? Wie penibel bin ich bei deren Einhaltung? Wie ist es mit einer Ausnahme für das ADHS- oder Förderkind?
Grundsätzlich wichtig ist Konsequenz! Wenn ich Regelbrüche wahrnehme, muss ich sie ansprechen und ggf. vereinbarte Konsequenzen ziehen. Unerlässlich ist es dazu, dass das gesamte Klassenteam Bescheid weiß und nicht plötzlich bei anderen Lehrkräften andere Regeln gelten. Wenn es Ausnahmen gibt, müssen die wohlüberlegt und gut begründet sein. Gespräche im Klassenrat können hier hilfreich sein. Auch ein Ritual wie die Regel der Woche / des Monats mit einer Reflexion am Ende des Tages oder der Woche dienen dazu, immer wieder an die Regeln zu erinnern. Deutlich konkreter als die Regel der Woche sind Konzepte wie das KlasseKinderSpiel oder das Sozialziele-Center. Beide Methoden fokussieren eine Regel, setzen sie jedoch in konkret beobachtbare Verhaltensweisen und/oder Aussagen um, deren Einhalten deutlich einfacher überprüft werden kann als die eigentliche Regel. Ich lege euch beides sehr ans Herz!

Nochmal kurz zurück zur Theorie. Gert Lohmann nennt acht „Regeln für Regeln„: Sie sollen wenige, vernünftig, verständlich, positiv, verbindlich, beobachtbar, kompatibel und durchsetzbar sein. Mit diesen Merkmalen lassen wir die Praxissemesterstudierenden immer die aus ihren Klassen mitgebrachten Regeln überprüfen. Sie sind immer etwas erstaunt und die Bandbreite der Qualität der Regeln ist jedes Mal wieder enorm. Ihr könnt es ja mit euren Regeln auch mal probieren. Und vor allem auch jegliche Eduki-99-in-1-Super-Sonderangebote zu Klassenregeln. Nur, weil sie hübsch aussehen, sind diese Regelpakete noch lange nicht zweckmäßig oder gar sinnvoll…

Zum Schluss habe ich noch zwei Gedanken zur ersten Klasse, die ich teilen möchte. Gerade zu Beginn, wenn die Kinder mit verschiedenen Regelsystemen aus ihren Kitas und Familien zusammenkommen, sind wenige einfache Regeln sinnvoll, die klar in Handlungen zu übersetzen sind. Nicht umsonst werden dazu gern Fotos von Kindern gemacht und ausgehängt, um das Melden, die Freundlichkeit etc. zu visualisieren. Gute Erfahrungen habe ich außerdem mit kleinen Merksprüchen oder Versen gemacht, wie ich es hier schon einmal ausführlicher beschrieben habe. Unter anderem das „Gib mir fünf“ hat sich anfangs in meiner Klasse sehr bewährt. Die fünf Schritte waren klar visualisiert, leicht anzuwenden und haben sehr geholfen, zur Ruhe zu kommen.

So, nun ist es heute doch mal wieder etwas länger geworden. Ich hoffe, dass meine Mischung aus Praxis und Theorie dir dennoch weiterhilft und wünsche einen guten Start ins neue Schuljahr!

Katha

* Ich habe die 14. Auflage von 2022, darin sind die Wege auf S. 127ff. beschrieben. Insgesamt ist das Buch echt ein Lesetipp, obwohl Sekundarstufe drauf steht!

kleine Rituale erhalten die Laune

Ich finde es immer wieder erfreulich, wie gut Kinder auf Merksätze anspringen. Meine Kids mögen und pflegen ja so kleine Slogans zum Mitsprechen.

Es begann mit dem „Gib mir fünf“ – einer Art von Miniregelsammlung, die ich aus dem Englischen (gefunden bei TPT) adaptiert habe.Bereits seit Beginn der 1. Klasse habe ich diese Schilder im Einsatz. Auch mein Nachdenkzettel enthält die Bilder, um den Schwerpunkt der Störung zu benennen.

Später kam durch eine liebe ehem. Teampartnerin die Flüsterzeit ins Spiel. So sage ich nur noch „Jetzt ist Arbeitszeit …“ und die Kinder ergänzen „… und Arbeitszeit ist Flüsterzeit!“ Als die Kolleging ging, ging ihr handgezeichnetes Schild mit ihr und fehlte wirklich in der Klasse. Nun hat sie mir ein neues geschickt (Danke, Frau E.!) und die Kinder waren sofort begeistert!

Irgendwann nervte mich das ständige Ansprechen bzgl. Fummelei an Stiften und Schreibkram und so dichtete ich ein bisschen:
Stifte rein....png
Auch dieser Spruch hat sich (vor allem bei den betreffenden Kindern) schnell eingeprägt und ich hege einfach die Hoffnung, dass ständiges Wiederholen und der humorvolle Unterton irgendwann etwas an der Situation ändern… Hier für alle ebenfalls Fummelei-Geplagten das Schild: Stifte rein…

Total zufällig hat sich ein neues Ritual selbst gegründet, als wir zu Beginn des Schuljahres das Trennen von Wörtern in Silben übten. Improvisiert machte ich mit den Kindern ein gereimtes TPR beginnend mit „Ich bin ein kleiner Roboter und laufe durch die Welt…“, das eben sehr silbebetont gesprochen wurde und wozu wir uns entsprechend bewegten. Das war so ein Knaller bei den Kindern, dass ich nun regelmäßig danach angebettelt werde und immer mal wieder improvisieren muss. 🙂

Beste Grüße,
Katha

 

Ich-Buch

Als erstes SU-Thema eignet sich für die kleinen Monsterklassenkids „Ich und die anderen“. Dazu habe ich meine alte Vorlage vom Ich-Buch herausgekramt und sie ein wenig erweitert, angepasst und verändert. So gibt es momentan 10 Seiten, auf denen die Kinder malen, messen, schreiben und sich ein wenig mit ihren Interessen und Fähigkeiten beschäftigen.

[Die tollen Nummern stammen übrigens von Valessa Scheuflers Blog ‚Endlich Pause‘]

Die ersten sieben Seiten gibt es im „Werkstattmodus“ – also zur freien Auswahl in der Bearbeitungsreihenfolge und Verwendung von Hilfsmitteln (Spiegel zum Augen zeichnen, Zollstock zum Körpergrößemessen und Klassenliste für den Geburtstag). Somit kommt wirklich eine Art von geschäftiger Arbeitsathmosphäre im Klassenraum auf, bei der jede/r etwas Wichtiges zu tun hat. Das Mantra „Arbeitszeit ist Flüsterzeit“ ist den Kleinen inzwischen schon gut im Kopf geblieben und einige wiederholen es regelmäßig für ihre Nachbarn.
Edit 2021: Sehr amüsant zu beobachten. Hier kommt die bildfreie Vorlage für Interessierte: https://primar.blog/2021/08/02/aktualisierung-des-ich-buchs/

Nun müssen wir es „nur noch“ zum zweiten Teil des Themas schaffen: WIR.
Gemeinsame Spiele und Erlebnisse wie ein erster Ausflug sollen hierhin helfen, genauso wie das immer deutlichere Einfordern von angemessenem Verhalten im Unterricht. Zur Visualisierung dieser Anforderungen habe ich mir eine englische Idee geklaut und übersetzt: „Gib mir fünf!“ Das sind fünf wichtige Grundlagen zum Zuhören, die wir diese Woche täglich mehrfach gemeinsam einüben:
> Der Mund ist zu.        > Die Augen schauen.
> Die Ohren hören.
> Wir sitzen gerade.
> Die Hände sind still.
Die Bilder, die unter dem obigen Link finden könnt, habe ich in A4 im Klassenraum aufgehängt, dann einmal in A5 ausgedruckt, um im Bedarfsfall nochmal auf einen bestimmten Aspekt hinzuweisen und auch nochmal in ganz klein (6auf1 beim Drucken), um sie einzelnen Kindern nochmal auf den Tisch zu legen.
Auch hier können viele Kinder die fünf Sätze schon mitsprechen, wenn ich „Gib mir fünf!“ sage und hoffentlich setzen das bald auch alle in Taten um bzw. halten länger als 20 Sekunden durch.

Auf geht’s – kämpfen und siegen! Das singen wir immer im Stadion. Passt irgendwie auch momentan für die Arbeit! 🙂

Katha