Guter Unterricht, egal in welchem Fach, findet in wechselnden Sozialformen statt. Einzelarbeit (EA), Frontalunterricht und/oder Direkte Instruktion haben dabei ihre Berechtigung, dürfen aber nicht die alleinige Unterrichtsform sein. Viele (alle?) Lehrkräfte setzen auch kooperative Sozialformen in ihrem Unterricht ein. Nicht immer sind dabei jedoch wirklich kooperative Lernformen (kL) im Einsatz, denn deren Definition geht weiter. Heute nehme ich euch deshalb ein bisschen mit in unser aktuelles Seminarthema.
Norm und Kathy Green haben in Deutschland das Thema „Kooperatives Lernen“ bekannt gemacht. Ihre Publikationen sind ebenso lesenswert wie z.B. diese beiden Bücher, die Schritte zum kooperativen Lernen aufzeigen und konkret für die Grundschule geeignete Methoden vorstellen. Ein paar Links habe ich ganz unten auch noch für euch gesammelt.
Was man bedenken muss: Partnerarbeit (PA) oder Gruppenarbeit (GA) sind nicht automatisch kooperative Lernformen, sondern grundätzlich erst einmal Sozialformen und somit auf der Ebene der Sichtstrukturen* anzusiedeln. kL gehen weiter und basieren auf fünf Merkmalen:
1. Positive Abhängigkeit – jedes Kind muss einen Beitrag leisten, damit die Gruppe erfolgreich sein kann; dafür kann es auch verschiedene Rollen geben.
2. Unterstützende Interaktion – in Form einer klaren Aufgabe als Grundlage, Unterstützung durch die Lehrkraft und unter den Schüler:innen.
3. Individuelle Verantwortlichkeit und Verantwortlichkeit für die Gruppe – Schüler:innen lehren quasi Schüler:innen, die Lehrkraft beobachtet sie dabei; nur möglich in kleinen Gruppen.
4. Angemessene Kommunikation / Soziales Miteinander – damit die Schüler:innen gut miteinander arbeiten und kommunizieren können, müssen sie koopeartiv arbeiten und dies immer wieder üben; Stichwort: positive Fehlerkultur.
5. Bewerten in Gruppen / Reflexion des Arbeitsprozesses – dies geschieht durch Reflexion innerhalb der Gruppe sowie durch Feedback der Lehrkraft.
Dazu kommen zwei Prinzipien: Erstens die sog. Sichere Lernumgebung. Es leuchtet ein, dass Kinder sich nur in eine Abhängigkeit von ihrer Gruppe begeben können und sich intensiv engagieren, wenn sie keine Bloßstellungen, Repressalien oder sonstiges befürchten müssen. Auch die Zusammenarbeit mit allen anderen Kindern, die der Einsatz von kL zwangsläufig mit sich bringt, setzt eine gute Beziehung unter den Kindern und zur Lehrkraft voraus. Hier sind wir dann auf der Beziehungsebene – da wird erkennbar, warum wir bei kL auch von Tiefenstrukturen* sprechen.
Zweitens das methodische Grundprinzip think-pair-share, neudeutsch und kinderfreundlicher auch ich-du-wir-Prinzip genannt. Es besagt ganz einfach, dass zuerst selbst und allein nachgedacht wird (ICH), um die eigenen Gedanken zu sortieren und genügend Zeit zum Eindenken zu haben. Erst danach, wenn beide/alle Kinder mindestens eine Idee oder Lösung gefunden haben, geht es in den Austausch (DU), z. B. im Lerntempoduett in Form einer Haltestelle. Zuletzt wird dann präsentiert, sortiert, gemeinsam geschlussfolgert und reflektiert (WIR). Entfällt die erste Phase, sind langsamer denkende Kinder schon früh im Lernprozess abgehängt und können nicht von der kL profitieren.
Meine Zusammenfassung der Prinzipien und einiger für mich in der GS sinnvoll nutzbarer kL sieht so aus:

Die unten in der Grafik gesammelten Methoden sind unterschiedlich komplex und reichen von der Partnerfindung (Verabredungskalender) über Ideensammlung (Placemat, Mindmapping) bis hin zu Präsentation und Dokumentation (Gallery Walk, Graphic Organizer). Alle habe ich mehr oder minder intensiv mit Grundschulkindern ausprobiert und manche sind in den Alltag übergegangen (Haltestelle, Rollenkarten, dig. Pinnwand, Murmelphasen).
Wie immer bei der Einführung neuen Methoden gilt:
– Schau, welche Methode zum geplanten Ziel passt!
– Neue Methoden an weniger wichtigem Inhalt ausprobieren, wichtige Inhalte mitbekannten Methoden erarbeiten!
– Gib nicht auf! Es wird garantiert Rückschläge geben, die aber meist tolle Lernchancen beinhalten!
Wer sich nochmal grundlegend einlesen möchte, der findet bei der ZUM eine gute Basis: „Kooperatives Lernen“ (ZUM Deutsch lernen)
Verschiedene Methoden für verschiedene Zwecke wurden hier gesammelt: „Welches Arrangement nutze ich wann?“ (Green-Institut)
Ein spannendes Interview könnt ihr hier lesen: „Wie kann kooperatives Lernen elingen?“ (Deutsches Schulportal)
Meine Hörempfehlung ist die Episode „Kooperatives Lernen“ aus dem Podcast Psychologie fürs Klassenzimmer von benedikt Wisniewski.
Mit diesen Empfehlungen schließe ich meinen heutigen Versuch eines Überblicks und kann nur jede:n von euch ermutigen, sich wieder (mehr) an kooperative Lernformen heranzuwagen. Die Kinder können das, wenn man sie gut hinleitet und dran bleibt!
Katha
* Zu Sicht- und Tiefenstrukturen empfehle ich gern dieses Video von Michael Mittag.


























